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AutorenbildMarion Zimmermann

Tauber Hund! - Na und?

Aktualisiert: 30. Jan. 2022

Leben mit einem gehörlosen Hund.

Weißer Hund im Schnee an einer Schleppleine

Mein erster Hund war eine Hündin aus dem Tierschutz, die ursprünglich aus Rumänien stammte. Changa. Ein Husky-Mix, laut Tierheim. Nachdem sie ein paar Stunden - frisch importiert aus Rumänien - bei ihrer neuen Besitzerin verbrachte, landete sie am selben Tag als Notfall im Tierheim. Angeblich war sie aggressiv. Im Tierheim stellte man schließlich fest, dass Changa taub ist, vermutlich schon seit der Geburt.


Dass sie taub war, stand nicht in ihrer Beschreibung. Ich denke, das Tierheim wollte ihr nicht von vorne herein die Chancen auf Vermittlung nehmen. Ihr Handicap wurde mir erst mitgeteilt, als ich mich für sie interessiert hatte. Das hatte mich nicht weiter gestört und mich trotzdem für sie beworben.


Für mich klang das spannend und ich hatte keinerlei Berührungsängste mit ihrem Handicap. Ich hatte keine Ahnung, was auf mich zukommen würde, aber willig, alles zu lernen, was wichtig ist. Da ich noch nie einen Hund hatte und leider auch wenig Gelegenheit, Hunde kennenzulernen, war die Taubheit für mich das kleinste Problem.


Ich hatte mich in diesen coolen Hund verliebt und es stand fest, dass ich sie unbedingt haben wollte. Sie war seit einem halben Jahr im Tierheim und hatte außer mir keine Interessenten. Und das, obwohl sie noch recht jung war mit etwa zwei Jahren, verträglich mit allen Hunden, freundlich zu Menschen und wirklich bildschön. Aber einen tauben Hund wollte offensichtlich niemand.


Aus Mitleid habe ich sie allerdings nicht adoptiert, sondern weil mir ihr lässiges Wesen gefallen hatte. Mitleid ist keine gute Voraussetzung, sich für einen (bestimmten) Hund zu entscheiden. Da sie wegen ihrer Taubheit keine Interessenten hatte, hat man mir Changa nach viermal Gassigehen plus Fragebogen ausfüllen und Schutzgebühr zahlen, ungeprüft anvertraut. Ohne Vorkontrolle! Mein Eindruck war damals, das Tierheim war froh, dass man den chancenlosen Fall los hatte.


Die Herausforderung mit einem tauben Tierschutzhund

Schlafender Hund mit Pfote über der Schnauze

Nun hatte ich also meinen ersten Hund! Natürlich erzählte ich allen Freunden und meiner Familie davon. Die meisten reagierten ziemlich skeptisch. Ein Hund aus dem Tierheim, Auslandshund mit einem Handicap, oh je, das ist eine Herausforderung. Und dann noch als Hundeanfängerin…


Nun ja, ein Hund ist immer eine Herausforderung. Ich bin ein Mensch, der immer alles perfekt und richtig machen möchte. Deswegen habe ich mir Bücher besorgt. Über Hundeerziehung allgemein, über Tierschutzhunde und über taube Hunde. Das www war anno 2007 noch nicht so ergiebig wie heute. Für letzteres Thema gab es damals sage und schreibe zwei Bücher dazu. Zudem habe ich bereits vor Changas Einzug bei mir eine Hundetrainerin konsultiert. Ich wollte ja schließlich von Anfang an alles richtig machen.


Es kam der Tag und Changa zog bei mir ein. Es lief nicht von Tag 1 an alles rund. Dazu werde ich in einem anderen Beitrag schreiben. Hier soll es um das Zusammenleben mit einem tauben Hund gehen, was man beachten sollte, wie man das mit der Erziehung hinbekommt, was geht und was nicht geht. Um es vorweg zu nehmen:

Ein tauber Hund ist ein Hund. Punkt.

Nicht mehr, nicht weniger, nicht besser, nicht schlechter, nicht einfacher und auch nicht schwieriger. Und vor allem: es ist kein „armer" Hund! Man muss einfach nur berücksichtigen, das der Hund nicht hört. Ok, das tun viele andere auch nicht, aber die könnten zumindest, wenn sie denn wöllten ;-)


Meine beiden Bücher über taube Hunde habe ich verschlungen und versuchte, alle Tipps umzusetzen. Ganz ehrlich: dazu hätte es fast auch ein normales Buch über Hundeerziehung getan. Der einzige Unterschied zu „normalen" Hunden besteht darin, dass man eben nur mit Sichtzeichen und Körpersprache arbeiten kann, die Hörzeichen aber natürlich nicht. Bist du nun überrascht?



Taube Hunde und auch andere Hunde mit Handicap, wie blinde oder dreibeinige Hunde „wissen" nicht, dass sie - aus Menschensicht - ein Problem haben. Tiere sind unglaublich gut darin, fehlende Sinne oder Gliedmaßen auszugleichen. Im Gegensatz zu uns machen sie sich keine Gedanken darüber. Sie arrangieren sich so gut es geht, auch Tiere, die erst später ihr Handicap bekommen haben. Das sollte man immer im Kopf haben. Da denke ich immer an meinen Chinchilla Dracula, dem ein Beinchen amputiert werden musste. Ich dachte, dass ich ich ihn dann wenigstens einfangen kann. Pustekuchen. Nach zwei Wochen war der genauso flott unterwegs wie zuvor.


Trotzdem gibt es natürlich bei einem gehörlosem Hund einige Dinge, bei denen du anders vorgehen musst als bei einem hörenden Hund. Deshalb ist das A und O, dass du deinem Hund beibringst, dich so oft wie möglich anzuschauen. Schaut er dich an, so kannst du ihm alle Kommandos mittels Sichtzeichen und Körpersprache beibringen.


Um das zu erreichen, ist Bindung schaffen eine wichtige Basis. Das war bei Changa nicht ganz einfach, da sie eindeutig zur Kategorie Urtyp gehörte, deren Mitglieder eher unabhängig von ihren Menschen agieren.


Beschäftige dich unbedingt mit deiner eigenen Körpersprache und was sie für einen Hund bedeutet. Möchtest du beispielsweise deinen Hund zu dir rufen, dann beuge dich nicht nach vorne. Denn diese Körperhaltung steht deiner Aufforderung, dass dein Hund zu dir kommen soll, körpersprachlich total entgegen. Dies auch als Tipp für alle anderen Hundehalter. Ich schätze, mindestens 50% machen das falsch. Kein Wunder, dass der so wichtige Rückruf selten zuverlässig funktioniert.


Wie kannst du erreichen, dass dein Hund dich ansieht?


Hier gibt es mehrere Möglichkeiten. Du könntest ein Vibrationshalsband einsetzen. Das ist ein kleines Teil, welches am Halsband befestigt wird. Mittels Fernbedienung kannst du eine Vibration auslösen. Die soll dem Hund signalisieren: schau mich an! Die Verknüpfung Vibration=Besitzer anschauen musst du deinem Hund beibringen, also konditionieren. Wie das geht, kann dir ein guter Hundetrainer (m/w/d) zeigen.


Die zweite Möglichkeit, die Aufmerksamkeit deines Hundes zu erlangen, so dass er dich anschaut, wäre ein Lichtsignal. Es gibt Laserpointer in Kugelschreiber Format, die dafür geeignet sind. Hier musst du allerdings aufpassen, dass der Laserstrahl nicht in das Auge deines Hundes gerichtet wird, sondern auf den Boden vor deinem Hund. Auch das muss natürlich konditioniert werden.


Bei meiner Madame funktionierte leider keine dieser Methoden. Schon normale Halsbänder bereiteten ihr Stress und bei Lichtsignalen reagierte sie fast schon panisch. Wir kamen trotzdem prima klar, nur Freilauf war eben gestrichen.


Als dritte Möglichkeit, um die Aufmerksamkeit deines Hundes zu erhalten, möchte ich noch Vibration allgemein nennen. In deiner Wohnung kannst du beispielsweise auf den Fußboden in der Nähe deines Hundes stampfen. Das wird er wahrscheinlich wahrnehmen und zumindest aufschauen. Dem Nachbar unter dir gefällt das womöglich weniger.


Die Methode, ein duftendes Würstchen vor die Hundenase zu platzieren, um Aufmerksamkeit zu erhaschen, funktionierte im Schlafmodus übrigens nicht:

Schlafender Hund mit Würstchen, das vor der Nase liegt

Du siehst, die Möglichkeiten sind zwar im Vergleich zu hörenden Hunden geringer, aber genug, um deinen Hund dazu zu bringen, dass er dich anschaut. Hast du das geschafft, dann ist der Rest genauso einfach oder eben schwierig. Sichtzeichen funktionieren bei Hunden sowieso besser als Hörzeichen. Du kannst deinem tauben Hund mit Sichtzeichen und passender Körpersprache genauso viel beibringen wie einem hörenden Hund. Cool, oder?


Auch meine grundsätzlich nicht ganz so lernwillige Changa beherrschte Sitz, Platz (par excellance), Pfote geben, High five, Nein, Dreh dich und Hier. Vorausgesetzt, sie schaute zu mir und noch wichtiger: wenn sie dazu Lust hatte.


Hier meine Sichtkommandos:

  • Zeigefinger nach oben = Sitz

  • Zeigefinger nach unten = Platz

  • Arm nach oben = Hier

  • Zeigefinger nach unten mit Kreisbewegung = Dreh dich

  • Flache Hand in Richtung Pfote = Highfive

  • Zeigefinger nach links und rechts bewegen: Nein.

Du siehst, das ist nicht anders als bei anderen Hunden. Dies alles musst du natürlich konditionieren und das funktioniert nach demselben Schema wie bei jedem anderen Hund. Nur eben nicht mit deiner Stimme, sondern ausschließlich mit Handzeichen und Körpersprache. Bis auf diesen kleinen Unterschied ist es nicht leichter oder schwieriger als mit jedem anderen Hund.


Freilauf für gehörlose Hunde


Diese Überschrift könnte auch lauten: Freilauf für Hunde, die nicht hören. Und davon gibt es bekanntermaßen jede Menge Exemplare, bei denen das Organ Ohr an sich medizinisch hervorragend funktioniert, aber es an dem Willen, das nach Frau Herrchens Wünschen in die Tat umzusetzen.


Wenn du deinen Hund frei laufen lassen möchtest, dann sollte dein Hund auf Rückruf zuverlässig zu dir kommen. So sieht es das Gesetz vor und abgesehen von Vorschriften jedweder Art, macht das auch Sinn für jeden verantwortungsvollen Hundehalter. Das gebührt schon der Rücksichtnahme gegenüber Menschen. Nun ist der Rück"ruf" bei einem tauben Hund naturgemäß kaum möglich. Es sei denn, du hast deinem Hund das „schau mich an", wie oben beschrieben, zuverlässig beigebracht.


Ansonsten ist eine lange Schleppleine eine tolle Möglichkeit, auch deinem nicht hörenden Hund Freilauf zu bieten. Das gilt nicht nur für die organisch tauben Hunde, sondern auch für temporär taube Hunde ;-)



Meine Changa durfte in ihren 12 Jahren bei mir draußen kaum Freilauf genießen. Ich war und bin da (auch bei meinen hörenden Hunden) sehr vorsichtig, aus gutem Grund. Als Ausgleich dazu habe ich für Changa die Gelegenheit geschaffen, ohne Leine Hunde kennenzulernen, um mit ihnen kommunizieren zu können. Das war in meiner Hundeschule möglich und später daheim im eigenen und ausbruchssicher umzäunten Garten. Wer beides nicht zur Verfügung hat: ich bin der Ansicht, dass ein Hund nicht wirklich darunter leidet, wenn er sein Leben lang draußen nur an der Leine spazieren darf. Sofern der Rest stimmt, also entsprechend seiner Genetik beschäftigt, ausgelastet, beschmust und beregelt wird.



Was es sonst noch zu beachten gilt


Ein tauber Hund kann dich nicht hören, soweit klar. Näherst du dich deinem dösenden oder schlafendem Hund von hinten, könnte er sich womöglich erschrecken. Changa war diesbezüglich sehr cool. Doch es gibt Hunde, die dann sehr erschrecken. Falls das bei deinem Hund der Fall sein sollte, dann berücksichtige das.


Schläft oder döst dein Hund und du möchtest ihn an"sprechen", dann stupse ihn leicht an (oder sie oder es… Gendern, heieieie). Im Brustbereich oder an der Schwanzwurzel macht es den wenigsten Hunden Stress. Aber das ist ganz individuell und von Hund zu Hund verschieden.


Wer nun meint, toll, mit einem tauben Hund ist Silvester oder Gewitter mit Donner kein Problem mehr, dem muss ich den Zahn ziehen, und zwar ohne Betäubung (AUTSCH!). Changa war von allen diejenige, die am meisten darunter litt. Warum? Die hörte doch nix? Ja, stimmt. Doch Hunde sind hochsensible Wesen und haben übermenschliche Sinne, nicht nur das Gehör gehört dazu. An Silvester riecht es nach Verbranntem. Und die Vibrationen in der Luft, durch Böller erzeugt sowie die Lichtblitze tragen dazu bei, dass dieses „Fest“ zum Stressfaktor für Hunde mutiert.


Wetterveränderungen nehmen Tiere viel intensiver wahr als wir Menschen. Uns wurde das abtrainiert, weil wir zwischenzeitlich andere Möglichkeiten haben, Wetter-Apps zum Beispiel. Tiere haben keine Smartphones, sie vertrauen nach wie vor ihrem Instinkt. Deswegen nehmen sie Veränderungen beim Luftdruck, Temperatur, Luftfeuchtigkeit und andere Wetterfaktoren intensiv wahr und reagieren dementsprechend. Sie haben ein Frühwarnsystem, das uns im Laufe der Jahre völlig abhanden gekommen sind.


Fazit

Hundekopf in lila Wolken
Changa 2005-03.01.2019

Ein tauber Hund ist - gut festhalten! Dadaaa... - ein Hund ;-)


Nicht mehr und nicht weniger. Punkt.


Hast du Erfahrungen mit einem tauben Hund oder mit einem anderen Handicap Hund? Ich freue mich auf deinen Kommentar.








 

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Hey, ich bin Marion, Coach für angehende Hundetrainer. Meine Vision ist, dass du deinen Hund besser verstehen lernst. Für ein harmonisches und glückliches Zusammenleben mit deinem Hund.

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