Welche Hunderassen zählen zu den Qualzuchten? Welche Erbkrankheiten von Hunden gibt es und wie wirkt sich dies auf die Gesundheit aus?
Ach sieht der putzig aus!
Hunde sind, wie vieles im Leben, auch immer gewissen Modetrends unterworfen. Oft spielen Filme oder Serien eine Rolle, wie zum Beispiel 101 Dalmatiner, Men in Black oder Lassie. Und schwupps werden die hündischen Protagonisten zu Modehunden. So lange sie lediglich in Mode kommen, keine zuchtbedingten körperlichen Beeinträchtigungen haben und die Hunderasse von seinem Besitzer rassegerecht beschäftigt und behandelt wird, ist das völlig ok.
Inhaltsverzeichnis
Brachycephalie
Nicht ok und ein absolutes No-Go ist es, wenn Hunde aus Gründen der Optik qualgezüchtet werden. Schon lange "in" sind Hunderassen, die das Kindchenschema bedienen. Nämlich die mit den lustigen Kulleraugen und kurzen Schnauzen.
Hunde mit kurzen Schnauzen haben leider fast immer mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. Stichwort: Brachycephalie, was „Kurzköpfigkeit" bedeutet. Betroffen davon sind diese sehr in Mode gekommenen Rassen:
Mops
Französische Bulldogge
Englische Bulldogge
Ich kann gut verstehen, dass diese Rassen mit den Kulleraugen beliebt sind und es sind wirklich meist sehr liebenswerte Hunde. Doch tun mir diese geplagten Hunde sehr leid. Sie leiden, weil wir niedlich aussehende Hunde haben möchten.
Wer damit liebäugelt, sich einen Hund aus dieser Rassekategorie anzuschaffen, der möge dann doch bitte wenigstens einen verantwortungsvollen Züchter suchen, der beim erfreulichen Trend mitmacht, Mops & Co. wieder eine längere Schnauze, eine größere Augenhöhle und weniger Falten zu schenken.
Weiterhin zählt man zu den brachycephalen Rassen:
Cavalier King Charles Spaniel
Bordeaux Dogge
Pekinese
Chihuahua
Shih Tzu
Yorkshireterrier
Boston Terrier
Boxer
Mit Moderassen lassen sich naturgemäß hohe Gewinne erzielen, also wurde entsprechend der großen Nachfrage fröhlich drauf los gezüchtet. Diese Hunde allerdings haben nichts zu lachen :-(
Damit die beliebten Hunde besonders niedlich aussehen, wurde über Jahrzehnte die Schnauze immer kürzer gezüchtet. Dadurch wurde die Nase immer mehr zurückgebildet, weswegen die ihre eigentliche Funktion nur noch schwer erfüllen kann: nämlich atmen.
Auswirkungen und Symptome der Brachycephalie
Die Nasenlöcher sind verengt
Zu enge Luftröhre
Der weiche Gaumen ist verlängert und fällt in die Atemwege nach vorne
Das behindert den Luftstrom und führt zu Atemgeräuschen
Die Atmung ist anstrengend
Aufgrund der Atemnot kann es zu Angstzuständen führen
Gefahr von Überhitzung
Schlaflosigkeit
Zunge ist im Verhältnis zu groß
Gebiss ist deformiert aufgrund Platzmangel
und noch einige andere
Durch Anstrengung, Stress oder hohe Umgebungstemperaturen werden diese Symptome noch verstärkt. Manche können nur mit hochgelegtem Kopf schlafen. Die Hunde bekommen kaum noch Luft und sie röcheln und schnarchen permanent.
Dieses Röcheln und die verkürzte und dadurch mit Falten belegte Schnauze führt zudem dazu, dass sie von anderen Hunde oft missverstanden werden. Das Röcheln wird als Knurren gewertet und die Falten als Drohgebärde gedeutet. Nicht selten geraten deswegen Mops & Co. in "Schlägereien" mit Hunden, obwohl sie echt gar nix dafür können.
Das putzige Kindchenschema wird durch einen verformten Schädel erreicht. Das hat zur Folge, dass die Augen in den viel zu flachen Augenhöhlen kaum Halt haben und sogar herausflutschen können. Ja, echt! Weiterhin werden die hervorstehenden Augen von den Falten schmerzhaft gereizt. Manche Hunde werden sogar blind deswegen. Der deformierte Schädel hat noch weitreichendere Folgen, die bis hin zu neurologischen Ausfällen gehen.
Sehr ausführlich beschrieben wird das in diesem Bericht der Bundestierärztekammer e. V.
Quellen:
Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz e.V.
Deutsches Tierärzteblatt
Fehlbildungen am Bewegungsapparat
Doch beileibe nicht nur die kurz- und rundköpfigen Rassen haben durch Zucht bedingte körperliche und vor allem gesundheitliche Probleme. Es gibt noch weitere Rassen, die aufgrund ihrer herausgezüchteten Körpermerkmale massive gesundheitliche Probleme haben. Dazu zählen:
Deutscher Schäferhund:
Stark abfallender Rücken und deformierte Hinterläufe. Diese Hunde leiden oft an Hüftgelenksdysplasie und dem Cauda-Equina-Syndrom.
Basset Hound:
Extrem kurze Beine, dadurch ein sehr langer Rumpf. Das führt zu einer starken Belastung der Wirbelsäule. In den Hautfalten, besonders an den Hinterläufen, sammeln sich Sekret- und Schmutzreste und können zu Entzündungen führen.
Die nach außen gerollten Augenlider führen zu vermehrtem Tränenfluss und Hornhautreizungen. Die XXXL-Ohren neigen zu Entzündungen des äußeren Gehörganges.
Haut- und Fellproblematik
Kleider machen Leute. Das scheint ebenso für Hunde zu gelten: Ein außergewöhnliches Fell ist angesagt, etwas Wertvolles und Exotisches. Cool! Äh - Nein! Einige Beispiele:
Shar Pei:
Diese Hunde sind übersät von Hautfalten, in denen sich wegen Schmutz- und Sekretansammlungen chronisch nässende Hautentzündungen bilden. Durch die nach innen gerollten Lidränder reibt die behaarte Haut auf der Hornhaut, was zu Schmerzen im Auge führt.
Mexikanischer Nackthund und Chinesischer Schopfhund:
Diese Rassen haben kein oder nur an wenigen Stellen Fell. Folgen ihrer Züchtung kann zu Gebissanomalien führen. Bei manchen dieser Hunde fehlen gar die so wichtigen Vibrissen, also die Tasthaare.
Womit wir nahezu übergangslos zum nächsten Punkt der Qualzuchten kommen.
Pigmentstörungen
Einen Hund mit einer ganz besonderen Farbe zu besitzen, das ist trendy! Besonders die bunt-gescheckte Fellfarbe Merle, oft zu sehen beim Australian Shepherd, hat in den letzten Jahren einen Hype erlebt. Nicht zu vergessen, blaue Augen oder die exquisite Fellfarbe Blue, also grau-silberfarbig. Letzteres scheint seit zwei, drei Jahren immer mehr in der Hitliste nach oben zu klettern.
Nicht alle Fellfarben beim Hund sind natürlichen Ursprungs, sondern basieren auf einer genetischen Mutation. Deswegen gehen diese „exquisiten“ Fellfarben bei Hunden häufig mit gesundheitlichen Problemen einher.
Diese Gene können einen negativen Einfluss auf die Gesundheit haben:
Dilute-Gen (Piebald-Gen): Es ist für das angesagte silberfarbene Fell ("Blue Line") verantwortlich und kann zu Haarausfall sowie Hautproblemen führen
Merle-Gen: beim sogenannten Doppel-Merle führt das zu angeborener Taubheit, missgebildeten Augen und unpigmentiertem Nasenspiegel
Scheckungs-Gen: angeborene Taubheit, verringerte Sehkraft sowie Hautprobleme
Dilute-Gen
Das Dilute-Gen bewirkt eine Aufhellung der Farbe. Dilution (englisch) bedeutet Verdünnung. Durch dieses Verdünnungsgen werden schwarze Haare zum trendigen Graublau und braunes Fell wird zum ebenso angesagten Silberbraun.
Ist ein Hund Träger des Dilute-Gens, kann er an einer Colour Dilution Alopecia (CDA) erkranken. Die CDA beim Hund bewirkt Haarausfall, kahle Stellen im Fell und Hautentzündungen. Die Krankheit zeigt meist erst nach einigen Monaten. Betroffene Welpen wirken zunächst komplett gesund, obwohl sie es nicht sind.
Hunde mit CDA brauchen ein Leben lang Schutz vor Sonneneinstrahlung und Kälte. Die Hautentzündungen müssen entsprechend versorgt werden.
Häufig betroffene Rassen:
Whippet
Saluki
Dackel
Neufundländer
Blue-Lines, zu finden unter anderem bei Labrador, American Staffordshire Terrier, Französische Bulldogge
Merle-Gen
Merle ist nicht nur eine Färbung, sondern gleichzeitig ein Gendefekt. Dieser Gendefekt erzeugt nicht nur das marmorierte Fell, sondern leider teilweise auch massive gesundheitliche Probleme.
Wenn ein Welpe geboren wird, der den Merle-Faktor reinerbig trägt, kann das schlimme Folgen haben. Sie können unter verschiedenen Augenkrankheiten und Augenfehlbildungen leiden. Diese Welpen sind meist blind und teilweise sogar taub. In manchen Fällen treten sogar Deformationen des Skeletts oder der Geschlechtsorgane und sogar des Herzens auf. Welpen, die mit reinerbiger Merle-Farbe zur Welt kommen, sterben häufig schon im jugendlichen Alter.
Glücklicherweise betrifft das nicht jeden Hund mit dieser Fellfärbung. Wer mehr darüber erfahren möchte, der möge seine bevorzugte Suchmaschine starten und wird sich kaum retten können angesichts der Masse an Suchergebnissen.
Häufig betroffene Rassen:
Australian Shepherd
Border Collie
Sheltie
Collie
Bobtail
Beauceron
Pyrenäenberghund
Dackel ("Tiger-Dackel")
Deutschen Dogge
Cocker Spaniel
Chihuahua
Cardigan Welsh Corgie
Scheckungs-Gen
Die Fellfarbe Weiß gibt es mit und ohne Pigmentierung. Hat das weiße Fell eine Pigmentierung, ist diese Pigmentierung einfach nur sehr hell. So ist das beispielsweise der Fall bei echten weißen Rassen wie Samojede oder West Highland White Terrier. Diese Hunderassen haben kein Problem aufgrund ihrer weißen Fellfärbung.
Bei der Weiß-Scheckung hingegen ist das Fell ebenfalls komplett oder überwiegend weiß, aber hier fehlt die Pigmentierung. Durch die Luftfüllung der Haare erscheinen sie lediglich weiß, das ist sozusagen eine optische Täuschung.
Der bekannteste Vertreter ist die „Extrem-Schecke", der Dalmatiner. Aber auch beim weißen Bullterrier ist dies der Fall. Diese Art der Scheckung kann mit gesundheitlichen Problemen einhergehen, zum Beispiel mit Taubheit oder Blindheit. Kommen zur weißen Nicht-Farbe noch blaue Augen hinzu, dann gute Nacht. Im wahrsten Sinne des Wortes.
Für die dunkle Farbe des Fells sind die Melanozyten zuständig. Diese Melanozyten sind außerdem für das Hören wichtig. Sie helfen dabei, die Haarzellen in der Gehörschnecke zu erhalten. Nur mit intakten Haarzellen können die akustischen Signale an das Gehirn weitergeleitet werden.
Hunde mit einer Weiß-Scheckung haben viel weniger Melanozyten. Deswegen werden bei ihnen die Haarzellen im Ohr nach und nach beschädigt und die Folge ist, dass die Hunde entweder einseitig oder sogar beidseitig taub werden. Das zeigt sich jedoch meist erst, wenn der Hund etwa acht Wochen alt ist.
Desto weißer der Hund, desto höher das Taubheitsrisiko.
Laut einer amerikanischen Studie von Dr. George M. Strain sind bei Dalmatinern 30% der Hunde taub, davon 8 % beidseitig. Bei weißen Bullterriern sind 19% taub, davon 2% beidseitig. Es handelt es sich hier jedoch um eine amerikanische Studie, also auch um deren Gen-Pool. In Europa soll die Taubheitsrate geringer ausfallen. Zuverlässig und fundiert scheinende Quellen für EU-Hunde konnte ich nicht recherchieren.
Das Scheckungs-Gen kann zudem für eine Fehlentwicklung des Auges verantwortlich sein. Die betroffenen Hunde sehen schlechter. Einige Hunde mit dieser Fell-Nicht-Farbe leiden zudem häufig an Hautproblemen.
Hunde mit dem Scheckungs-Gen haben unter dem weißen Fell eine rosafarbene Haut, weil die Pigmentierung fehlt. Sie sind deswegen viel empfindlicher in der Sonne. Ist wenig oder keine Unterwolle vorhanden, gibt es oftmals wiederkehrende Hautprobleme.
Vermutlich war meine Changa eine "Schecke". Sie war - bis auf die Maske im Gesicht - komplett weiß - und taub. Auch mit Hautproblemen wie Schuppen, trockener Haut und Hot-Spots konnte sie häufig dienen. Wenn du mehr über den Umgang mit einem tauben Hund erfahren möchtest, dann findest du meinen Erfahrungsbericht in diesem Artikel.
Fazit
Augen auf beim Hundekauf!
Je mehr man über Hunde und Hunderassen erfährt, desto schwieriger wird die Auswahl, welchen Hund man sich guten Gewissens anschaffen kann oder möchte - und wir reden in diesem Zusammenhang ja "nur" über Gesundheit. Trotzdem, die Mühe lohnt sich, um den perfekten Hund für sich zu finden. Hauptsache: gesund :-) Ein guter Hundetrainer oder eine Hundetrainerin wird dich gerne bei deiner Wahl beraten.
Und wenn dein Hund zwar gesund, aber weit entfernt von perfekt ist, dann lade ich dich ein, dir zum Beispiel diesen Beitrag oder diesen Beitrag reinzuziehen ;-) Hilft garantiert, dass du nach dem Lesen deinem gefühlt unperfekten Hund eine Goldmedaille überreichst.
Um die Huldigung für deinen Hund perfekt zu inszenieren: Gib ihm lieber ein oder zwei oder auch drei mega Leckerli. Er (oder sie oder es) weiß das zu schätzen. Zumindest für zwei Sekunden;-)
Hast du einen Hund mit einem Gendefekt? Erzähle in den Kommentaren von deinen Erfahrungen. Ich bin neugierig :-)
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Google hat mich auf der Suche nach einer Information gerade auf Ihre Seite verwiesen. Dabei bin ich über einen Satz gestolpert, der so leider falsch ist, weshalb ich Sie freundlich darauf hinweisen möchte. Sie schreiben: "Ist ein Hund Träger des Dilute-Gens, kann er an einer Colour Dilution Alopecia (CDA) erkranken. " Das stimmt so nicht. Nur ein blauer Hund (d/d) kann an CDA erkranken. Ein Hund, der lediglich Träger des Dilute Gens ist (d/D) ist nicht blau, denn das Dilute Gen ist rezessiv. Ergo ist er nicht blau und kann auch kein CDA bekommen. Dafür braucht man das Dilute schon auf beiden Allelen.